Beziehungsanarchie ist ein Beziehungsmodell, das gesellschaftliche Normen und Hierarchien ablehnt, um Beziehungen individuell zu gestalten und auf Basis von Autonomie und Konsens zu führen. Im Kern steht die Idee, dass nicht alle Beziehungen gleich sein müssen und man die Art von Verbindung mit verschiedenen Menschen nach eigenen Wünschen aushandelt, ähnlich einem Menü, bei dem man aus einer Vielzahl an Optionen wählt, anstatt sich an feste Regeln zu halten.
So viel zur Erklärung von wikipedia. Ich bin Beziehungsanarchist. Seit neuestem auch in einer dementsprechenden Gruppe auf Joy. Seit meiner Kindheit bin ich Punk. Ich lehne Hierarchien grundsätzlich und kategorisch ab. Eine festgelegte Rangordnung zwischen romantischen, sexuellen und freundschaftlichen Beziehungen fiel mir schon immer schwer. Ich knutsche super gern mit Frauen. Habe mit ihnen auch Sex. Ich habe es nie verstanden, warum ich da sofort eine Beziehung draus machen soll. Wer liebt besitzt. Was für ein Schwachsinn.
Ich brauche Autonomie und Selbstbestimmung. Jeder Mensch ist für sich selbst verantwortlich und hat das Recht, seine eigenen Wünsche zu äußern und zu verwirklichen. Das ist für mich selbstverständlich. Augenhöhe nenne ich das. Und bis vor kurzem war mir das so normal wie atmen. Erst durch T wurde mir klar, wie einengend Liebe sein kann. Die gesellschaftlichen Erwartungen und Vorstellungen davon, wie Beziehungen sein sollten, haben sich mir nie erschlossen. Wie kann ein Swinger treu sein? Warum verlangt ein Mann Monogamie, wenn er doch beständig Lust auf fremde Haut hat? Deshalb werde ich auch nie heiraten! Die Konstitution der Ehe ist etwas Heiliges. Das gehört nur 2 Menschen. Anders kann ich es mir nicht vorstellen. Und genau das lehne ich ab!
Für mich basieren Beziehungen auf klaren Absprachen und der Zustimmung aller Beteiligten, nicht auf vorgegebenen Verträgen. Man unterstützt sich gegenseitig, zieht an einem Strang. Man ist befreundet, mag sich. Da ist einengen der falsche Weg. Anstatt sich gegenseitig dauernd zu beobachten, sollte man viel lieber dem anderen ein sorgenfreies Leben ermöglichen. Statt Vorwürfen Verständnis haben. Gleichberechtigung ist das Zauberwort. Nur leider ist das heutzutage schwieriger denn je. Die Frauen werden immer noch unterjocht, jetzt mehr denn je, da Männer ganz neue Methoden gefunden haben sie klein zu halten.
Allein diese Debatte derzeit im Sport. Ein Mann erreicht alles, hat alle Preise gewonnen. Deshalb operiert er sich zur Frau um, und ist damit eine bessere Frau als die Originalfrauen, und räumt damit den Rest ab. Stellt sich damit wieder über die Frau, und führt Gleichberechtigung und Emanzipation ad absurdum. Ein Vergewaltiger fühlt sich plötzlich als Frau, und darf in den Frauenknast? Warum, nur damit er noch mehr Frauen schänden kann? Ich kann diese ganze Diskussion nicht mehr!!! Als ich meine letzte Beziehung kennenlernte, war er begeistert, wie lebenshungrig und sexgeil ich war. Er unterstützte das. Ging mit mir auf Partys und ich durfte einen Hausfreund haben. Und dann verliebte er sich in mich. Nicht, dass ich mich nicht auch in ihn verliebt hätte. Er ist klug, sieht gut aus, und der Sex war unglaublich. ABER er ist das komplette Gegenteil.
Er wollte mir eine Beziehung auf Augenhöhe zeigen. Wie es ist, wenn sich ein Mann um seine Frau kümmert. Ihr jegliche Freiheit lässt, sie akzeptiert und liebt. Die Realität sah anders aus. Plötzlich saß ich monogam zuhause und wartete, dass er zum kuscheln nach Hause kam. Er rastete komplett aus, wenn ich nur mit einem anderen Mann SMS schrieb. Der Bruch kam, als er mir ein GPS umhängen wollte. Das ging wirklich zu weit. Ja, ist jetzt etwas am Thema vorbei, aber standardisierte Beziehungsmodelle wie Ehe oder Monogamie sind immer noch zu sehr in den Köpfen der Menschen.
Wenn ein Mann mehrere Frauen hat, gilt er als toller Kerl, eine Frau als Schlampe oder Nymphoman. Wie kann das in unserer heutigen doch so aufgeklärten Welt sein? Ich möchte nicht dauernd schief angeguckt werden, weil ich „Männer wie Unterhosen“ wechsle. Aber wer kommt schon mit meinen Ansprüchen zurecht? Ich bin ein Freidenker. Ich brauche die Freiheit sowohl sexuell als auch freundschaftlich auch mal eigene Wege gehen zu können. Es ist schwierig das in eine Schublade zu packen. Polyamorie? F+ oder wie die Ausdrucksweisen dafür auch heißen. Jeder versucht es für sich zu erklären. Mir war es immer wichtig, dass beide sich damit wohl fühlen. Beide damit leben können.
Die die Beziehungsanarchie greift auf ein „Beziehungs-Menü“ zurück. Hier können die Beteiligten in Bezug auf verschiedene Lebensbereiche (z. B. Intimität, Wohnen, Finanzen, gemeinsame Interessen) ihre individuellen Wünsche und Grenzen definieren und aushandeln. Das war mir immer sehr wichtig. Ich bin nicht gern allein. Ich bin ein Rudeltier. Ich bin gerne mit meinem Freund zusammen irgendwo, aber auch mal allein mit meinen Freunden unterwegs. Ist das schon Beziehungsanarchie? Die drei Optionen sind dabei:
Off-limits: Ein klares „Nein“ für bestimmte Aktivitäten oder Formen der Verbindung.
Might want someday: Ein „Vielleicht“ oder eine Möglichkeit für die Zukunft.
Want-to: Ein klares „Ja“ zu einer bestimmten Form der Beziehung oder Aktivität.
Missverständnisse vermeiden
Kein Chaos oder Verpflichtungsfreiheit!!! Beziehungsanarchie ist kein Aufruf zu Beliebigkeit oder zum Ignorieren von Verpflichtungen. Vielmehr erfordert sie eine hohe Kommunikationsfähigkeit und die Bereitschaft, sich an die getroffenen Absprachen zu halten. Eifersucht ist da das Schlagwort. Jeder ist irgendwann mal auf irgendwen oder irgendwas eifersüchtig. Deshalb muss man sich selbst sehr gut und beständig reflektieren. Viel Reden hilft dabei. Denn mal ganz ehrlich: nur mit jemandem zusammen zu sein, weil man sonst keinen hat, das ist ganz mies! Und es drängt das Gegenüber zu Verzicht, weil man ja auf Augenhöhe sein möchte. Ich mache so lange nichts, bis Du auch wen hast – Bullshit!!!
Eifersucht ist ein Thema, das auch in beziehungsanarchistischen Beziehungen auftauchen kann. Es geht jedoch darum, die eigenen Verlustängste und die Ursachen der Eifersucht zu erkennen und daran zu arbeiten. Man muss sich immer im Klaren sein, wo will man hin. Was macht mich glücklich? Für mich war allein sein bisher der beste Weg. Als ich von Beziehungsanarchie gehört habe, war ich gleichermaßen fasziniert wie besorgt. Wie kann so etwas gelingen? Kann ich sowas überhaupt? Bin ich eifersüchtig? Bin ich egoistisch, weil ich zwar wahnsinnig viel Herz habe, aber selbst, wenn ich jemanden liebe nicht treu sein kann, und meinen Freiraum brauche? Warum brauche ich diesen Freiraum überhaupt, wenn ich doch mit meinem Partner so glücklich bin, und der diesen Freiraum nicht braucht?
Joy hat mir da sehr viel geholfen. Ich habe mich über F+ und Cuckold, Beziehungsanarchie und FLR informiert. War in einigen Gruppen, bis ich für mich meinen Weg angefangen habe zu gehen. Selbstreflektiert. Immer im Gespräch mit anderen. Allein. Ich habe die Fesseln einengender Beziehungen hinter mir gelassen. Und mit diesem Text möchte ich ein Statement abgeben. So wie Peter Pan nicht erwachsen werden will, so kann ich nicht in der Enge einer Beziehung leben. Ich bin nicht für die Ehe geschaffen. Aber ich will auch nicht allein sein. Ich träume von einem Menschen, der mit mir lebt. Mir Stärke und Freiheit gibt. Mich unterstützt und meinen Weg mit mir geht. Ohne Eifersucht und Neid. Egal welche Menschen unseren Weg kreuzen. Ich denke, ich bin tolerant genug, um einem Mann eine F+ zu gönnen, obwohl ich mit ihm zusammen bin. Schließlich liebt er mich. Und es hat Gründe, warum er mit mir zusammen ist und nicht mit ihr. Bisher hat das nicht so gut geklappt. Die Männer haben immer gesucht. Ich war nie genug. Und irgendwann sind sie wieder zurück in ihre monogame Welt, wo der Mann betrügt, während die Frau monogam ist. Also von daher wird meine Reise eine sehr lange sein. Aber der Austausch mit anderen Beziehungsanarchisten bestärkt mich in der Hoffnung, dass das für mich auch möglich sein kann.
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